Zu Star Wars Episode VIII
„War never changes.“ So sagt man vielleicht, aber dennoch, etwas an dem neuen Star Wars Film ist anders. Um es kurz zu machen: er ist eine Katastrophe; aber zu behaupten, dass Katastrophen nicht (wenn vielleicht auch auf perfide Weise) irgendwie reizvoll sind, wäre gelogen – insbesondere in der ‚Traumwerkstatt Hollywood’. Trotzdem spielt die von Disney und Rian Johnson vorgelegte Version einer Katastrophe in einer anderen Kategorie als derjenigen, von der Aristoteles spricht. Dramaturgisch hangelt der Film sich zwar am altbekannten Muster entlang, irrt dabei allerdings so häufig ab, dass man meinen könnte einen Zusammenschnitt aus mindestens zwei Filmen und drei zufälligen YouTube-Videos zu schauen. Vom Schnitt und Writing will ich (auch mangels Expertise) gar nicht erst sprechen. Stattdessen möchte ich den einen starken Moment des Films betrachten, der zugleich auch die Peripetie darstellt, auf die aber – SPOILER – die oben genannte Katastrophe folgt.
Um seinem Wust an unfertigen und belanglosen Handlungssträngen zumindest etwas Struktur unterzujubeln, arbeitet „Die letzten Jedi“ stärker als alle anderen Filme der Reihe mit der Polarisierung zwischen dem Guten und dem Bösen. Entsprechend der ebenfalls vollkommen überladenen Symbolik des Films werden diese Prinzipien auch konkret repräsentiert: Da ist auf der einen Seite „Luke Skywalker“, Jedi-Meister und Symbol des Guten, und auf der anderen der „Oberste Anführer Snoke“, Sith-Meister und das inkarnierte Böse. Beide haben sie Schüler (ohne die sie keine Meister wären), nämlich die Hauptprotagonistin „Rey“ auf Skywalkers Seite und den Antagonisten „Kylo Ren“ auf der Seite Snokes. Die beiden letzteren verbinden die Bande des Schicksals, denn sie sind von der „Macht“ empfangen, um das Gleichgewicht ebendieser zu gewährleisten. Parteilichkeit ist quasi vorprogrammiert bzw. determiniert. Außerdem: klare moralische Prinzipien sind so leicht zu verdauen, wie es „Die letzten Jedi“ nicht ist, und sie spielen ebensoleicht verpulvertes Geld wieder ein. Moral to go.
Doch da ist ein Silberstreifen: Der Höhepunkt des Handlungsstrangs von Rey und Kylo Ren. Rey muss feststellen, dass Luke nicht der Hoffnungsbringer ist, den die Rebellion erwartet, und wendet sich von ihm ab, um – ganz pragmatisch – ihren Verbündeten und Freunden zu helfen und sich Snoke und Ren zu stellen. Gesagt, getan begibt sie sich auf das Flaggschiff der Gegner, und dort erwartet uns ein Showdown: Im Thronsaal Snokes werden Rey und Ren damit konfrontiert, dass ihre Verbindung von Snoke nur inszeniert war, um Ren endgültig zum Bösen zu bekehren. Doch die Verbindung hatte den ohnehin schon in Ren vorhandenen Keim eines Zweifels sprießen lassen. Und so tötet Ren nicht wie geplant Rey, sondern seinen eigenen Meister, Snoke.
Beide Schüler sind frei, haben die Ketten eines ancient regime (sei es nun gut oder böse) gesprengt. Das ausbrechen aus dem alten Handlungsmustern, das Ende der alten Prinzipien – dies sind die Hauptthemen des Films, nicht nur Gut gegen Böse, sondern Veränderung, Ereignis. (Die generelle Idee der „neuen Trilogie“ ist z.B. die Rundumerneuerung des Casts.) Dies ist nun der Höhepunkt des Films: Rey und Ren befinden sich nicht mehr auf Seiten des Guten oder des Bösen. Es ist ein Schwebezustand. Quantenfluktuation. Seite an Seite kämpfen sie gegen die (arbeitslosen) Leibwächter Snokes, die als letzte Bastion einer alten Institution fallen.
Diese Szene bildet das Ereignis im Sinne der Philosophie Alain Badious: Für einen Augenblick gibt es für Rey und Ren keine Seite. Weder des Guten, noch des Bösen. Das Ereignis ist universal, denn es ist unparteiisch. Es ist nicht die und die Moral, oder dies und das Gute oder Böse. Es bildet den universellen Ereignishorizont von menschlichem Handeln. Es ist, was keine Unterscheidung, keine Aufteilung, keine Sonderung ist. Aber das Ereignis bringt notwendig die Entscheidung mit sich, samt all ihrer Konsequenzen. Und erst die Entscheidung impliziert Parteilichkeit (die dann natürlich auch geleugnet werden kann: „Das ist nicht passiert!“).
Die Produzenten des Films haben hier die Gelegenheit, alles mit und aus ihrem Film bzw. dem Ereignis zu machen, ja, wirklich das Alte zu verlassen und sich irgendeinem Neuen zuwenden, unabhängig von den Kategorien Gut und Böse. Zunächst scheint es auch so: Rey und Ren erkennen sich gemeinsam am ‚Ort’ des Ereignisses – singulär plural, mit-einander, ko-existent (J.-L. Nancy). Und dann: Ren, den bösen Imperator aus „Die Rückkehr der Jedi-Ritter“ zitierend, bietet Rey an, sich ihm anzuschließen und mit ihm Ordnung und Frieden in der Galaxis wiederherzustellen. „Cut! Alles auf Anfang!“ Coitus interruptus. Die Entscheidung ist gefallen: es bleibt alles beim Alten. Ren ist das Böse, Rey das Gute. (Snoke hat einen direkten Nachfolger, und auch Luke wird später im Film rehabilitiert. Das betrifft auch andere Figuren: Keine Entscheidung des Films wird nicht verneint; keine Treue zur Konsequenz des Ereignisses.) Nichts wird gezeugt, und der Kinosaal ist Zeuge…vielleicht sogar Erzeuger – in jedem Fall Erzeugnis.
Etwas ist anders am neuen Star Wars, vor allem der Versuch die dramaturgische Banalität des Bösen und des Guten zu durchbrechen, aber es ist trotzdem alles gleich und damit gleichsam banal.
Ein neuer Star Wars Film ist ein Ereignis. Disney entschied sich gegen das Risiko und für das Geld…und ich mich dafür, eine Kinokarte zu kaufen…
[Zuerst erschienen in Settimana 50, 12/2017.]